Höhepunkte und Abgründe
Stätten der Höhepunkte und Abgründe deutscher Geschichte und Kultur: Studienfahrt der Fachgruppen Deutsch und Geschichte nach Weimar, Buchenwald und Eisenach
Am 23. und 24. Januar 2019 unternahmen wir – 44 Studierende des 4. und 5. Semesters in Begleitung von Sabine Bertram und Ingo Stöckmann – eine Studienfahrt in die Klassikstadt Weimar, zu der benachbarten Gedenkstätte Buchenwald und zum UNESCO-Weltkulturerbe Wartburg bei Eisenach. Damit traten wir eine Reise der Vielgestaltigkeit und Ambivalenz, der Highlights und der Abgründe deutscher Geschichte und Kultur an.
Schon auf der Fahrt nach Eisenach wurde es geschichtlich, denn wir besichtigten Reste der ehemaligen DDR-Grenzbefestigungsanlagen bei Ifta in Thüringen. Von 1961 bis Ende 1989 zog sich sich hier die die innerdeutsche Grenzanlage entlang.
Nach dem Einchecken im Hotel „Am Frauenplan“ direkt gegenüber dem Goethehaus entdeckten wir die Stadt Weimar und ihr klassisches Erbe in zwei Gruppen. Das Goethewohnhaus mit angeschlossenem Goethe-Nationalmuseum sowie die Anna-Amalia-Bibliothek waren ebenso Ziel wie der Weimarer Marktplatz mit dem Hotel „Elefant“. Vorbei am Wohnhaus Friedrich Schillers gelangten wir zum Theaterplatz mit dem Goethe-Schiller-Denkmal und dem Weimarer Theater. Durch kleinere Referate erhielten wir Eindrücke von der Lebenswelt der „Dichterfürsten“ Goethe und Schiller, wobei deren unterschiedliche lebensgeschichtliche Situation und Mentalität vor dem Hintergrund der „Weimarer Klassik“ evident hervortraten.
Der Stadtrundgang durch Weimar führte uns Schauplätze der ersten parlamentarisch-demokratischen Republik auf deutschem Boden vor Augen, die nach ihrem Gründungsort „Weimarer Republik“ benannt ist. Gleichzeitig erlebten wir Stätten der verhängnisvollen NS-Geschichte der Stadt sowie künstlerische Höhepunkte Weimars wie die „Bauhaus“-Kunstschule. Die Erlebnisse des Tages haben wir abends in gemeinsamer Runde in einem Restaurant angeregt diskutiert.
Umso grausiger war am folgenden Tag der Besuch der nur acht Kilometer entfernten Gedenkstätte Buchenwald, an der die Erinnerung an das Gräuel des nationalsozialistischen Konzentrationslagers (1937 bis 1945) und an das sowjetische Speziallager (1945 bis 1950) durch die Gedenkstättenarbeit wach gehalten wird. Besonders eindrücklich war das DDR-Mahnmal auf dem Ettersberg, das wir inmitten kalter Schneelandschaft besuchten. Die Gedenkstätte selbst mit dem Lagertor und dem Bereich des Krematoriums und der Pathologie machte betroffen und lud zum stillen Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus ein. Wir alle waren anschließend von der Dauerausstellung gebannt: Eindrückliche Ausstellungsgegenstände fesselten uns und luden zur lebendigen Auseinandersetzung mit der Vergangenheit ein. Leider war es aus Zeitgründen dann nicht mehr möglich, ein weiteres Kapitel der brutalen Geschichte Buchenwalds in der Ausstellung zu besuchen: Die Geschichte des sowjetischen Speziallagers Buchenwald von 1945 bis 1950 mussten wir deshalb versäumen. An der Metallplatte, in die im Mittelteil in alphabetischer Reihenfolge die Namen von über 50 Nationen eingraviert sind, hielten wir ein gemeinsames Gedenken ab. Blumen und Lichter wurden niedergelegt und sehr persönliche Gedanken zu dem unendlichen Leid geäußert. Das Gedicht von Wolfgang Borchert „Dann gibt es nur eins: Sag NEIN!“ erinnerte uns an die persönliche Verantwortung eines jeden Einzelnen bei der Verhinderung von Krieg und Verfolgung. Für alle fassbar wurde der Satz aus der „Todesfuge“ von Paul Celan: „Der Tod ist ein Meister aus Deutschland.“
Auf der Wartburg bei Eisenach, dem besterhaltenen romanischen Profanbau nördlich der Alpen, informierten wir uns schließlich über Lebensbedingungen in einer mittelalterlichen Burg, wir nahmen die „Lutherstube“ in Augenschein, in der Martin Luther 1521/22 die Bibel ins Deutsche übersetzte, und den Rittersaal, in dem an das „Wartburgfest“ vom Jahre 1817 erinnert wird. Irritierend wirkte die romantisch-historistische Innenausstattung der Wartburg, mit der die unter Kaiser Wilhelm II. charakteristische Verherrlichung deutschnationaler Geschichtsbilder – wie zum Beispiel die Elisabeth-Legende und das Sängerfest auf der Wartburg – im Zuge der nationalen Identitätsfindung des 19. Jahrhunderts sichtbaren Ausdruck fanden.
Die Fahrt war für uns alle nicht nur lehrreich. Es gab in kurzer Zeit unendlich viel zu entdecken und zu verarbeiten. Viele bedauerten es, nicht mehr Zeit an den Erinnerungsorten verbringen zu können.
(Stöckmann)