Humangenetik

In der Aula des Schlosses Münster konnten Studierende aus Biologie-Kursen des 5. und 6. Semesters Einblick in Tätigkeitsbereiche des Instituts für Humangenetik erhalten. Themenfelder wie Kinderwunschbehandlung, erbliche Tumorerkrankungen und neue molekulargenetische Technologien wurden in Fachvorträgen durch Mitarbeiter*innen des Instituts vorgestellt. So beschrieb Dr. Axel Bohring mit der ektodermalen Dysplasie einen eher seltenen erblichen Defekt, der sich häufig sich durch fehlende Zähne oder auch durch Fehlbildungen der Haare, Nägel und der Haut manifestiert. In einigen Fällen besitzen die betroffenen Personen auch keine Schweißdrüsen. Sie können deshalb ihre Körpertemperatur bei Hitze oder sportlicher Betätigung nicht regulieren, was lebensbedrohliche Folgen haben kann. Die ektodermale Dysplasie kann durch Mutationen in verschiedenen Genen ausgelöst werden. Für den Defekt eines bestimmten Gens (EDA) wird aktuell eine experimentelle Therapie erprobt: Ein Medikament, welches den durch die Mutation fehlenden Stoff ersetzt, wird durch die Bauchdecke der Mutter in das Fruchtwasser von ungeborenen Kindern mit dem Gendefekt injiziert. Erste Ergebnisse zeigen, dass Kinder aufgrund dieser Therapie Schweißdrüsen bildeten. Dies ist aber nur durch die vorgeburtliche Behandlung möglich, denn Schweißdrüsen oder auch Zähne können nur in einem bestimmten Zeitfenster der Embryonal- bzw. Fetalentwicklung angelegt werden.

In dem letzten der Vorträge erläuterte Dr. Jochen Seggewiß die rasante Entwicklung neuer Technologien in der Humangenetik. Die Kosten für die Sequenzierung der menschlichen Erbsubstanz sind in kürzester Zeit stark gesunken. Obwohl die menschliche DNA ca. 3,3 Milliarden „Buchstaben“ aufweist, können Fehler – Gendefekte – inzwischen schnell ermittelt werden. Jeder Mensch besitzt „Fehler“ auch in wichtigen Bereichen seiner Erbsubstanz. Teilweise wirken sich diese nicht aus, können aber vererbt werden. Oder es handelt sich z. B. um Gendefekte, die das Risiko erhöhen, an einer erblichen Form von Krebs zu erkranken. Schon heute müssen Ergebnisse von Gentests teilweise beim Abschluss einer Lebensversicherung offengelegt werden. In Deutschland ist der Umgang mit diesen besonders sensiblen Daten durch das Gendiagnostikgesetz reguliert, der technische Fortschritt ist aber auch hier schneller als die Gesetzgebung.

Besondere Chancen u. a. für Menschen mit Erbkrankheiten bietet das CRISPR/Cas-Verfahren, mit dem man Lebewesen deutlich schneller und einfacher genetisch verändern kann als durch klassische Gentechnik. Das Verfahren könnte in Zukunft für folgenreiche Versuche im Sinne einer „Optimierung“ des menschlichen Erbguts genutzt werden. Über den Umgang mit dieser neuen Möglichkeit der genetischen Veränderung der Menschheit ist ein weltumspannender gesellschaftlicher Diskurs einer informierten Öffentlichkeit nötig.

(Slotty)