Lass Dich Überraschen

Unter diesem Motto verabschiedete das Overberg-Kolleg kurz vor Weihnachten 29 Abiturient*innen feierlich in die lang ersehnte Freiheit. Drei Jahre lang hatten die Studierenden die Schulbank gedrückt, um ihr Abitur auf dem Zweiten Bildungsweg zu erwerben.

Überraschend politisch ging es bei der Feier in der Aula des Overberg-Kollegs am Freitagabend zu, denn das Jahr 2016 mit dem Erstarken von Nationalismus, Fanatismus, Hass und Ausgrenzung hatte deutliche Spuren in den Gedanken der Festredner*innen hinterlassen.

Bereits Schwester Bärbel Sabel nahm das Motto „Lass Dich Überraschen“ und die Geschichte der Heiligen Drei Könige in ihrer Predigt zum Anlass, den Abiturient*innen einige Gedanken zu Offenheit und Toleranz mit auf den Weg zu geben: „Menschen können uns immer wieder überraschen und es ist gut, dafür offen zu bleiben. Schön, wenn auch wir andere überraschen, indem wir unsere Fähigkeiten und Gaben großzügig zur Verfügung stellen. Nicht nur da, wo es vielleicht erwartet wird, nicht nur in eng begrenzten Gruppen.“

Auch die Studierenden hatten die bedenklichen Entwicklungen dieses Jahres nicht unberührt gelassen. So appellierte Britta Sonnenberg stellvertretend für den Jahrgang an das Publikum: „Wenn wir es schaffen, mit Steinen im Weg das Abitur zu bewältigen, dann schaffen wir es auch noch, weitere Hürden zu nehmen und sollten uns auch nicht von anderen Meinungen einschüchtern oder abbringen lassen.

Am deutlichsten wurde Schulleiter Ansgar Heskamp in seiner Abiturrede über Vielfalt und Gleichheit und gegen pseudo-religiöse und nationalistische Dogmatiker*innen: „Sie liefern Ressentiments und Vorurteile, sie liefern die rassistischen Parolen, und sie stellen all die kleinen, gemeinen Begriffe und Bilder, mit denen stigmatisiert und entwertet wird, all die Muster, mithilfe derer Menschen gedemütigt und angegriffen werden.“ Angesichts dieser Fanatiker stelle sich, so Heskamp, die Frage, was man tun könne, insbesondere am Overberg-Kolleg. Der Schulleiter gab eine klare Antwort auf diese Frage: „Wir dürfen uns nicht wehrlos und sprachlos machen lassen. Wir können sprechen und handeln. Eine freie, gerechte, demokratische Gesellschaft ist etwas, das wir auch immer wieder lernen müssen. Immer wieder. Im Zuhören aufeinander. Im Nachdenken übereinander. Im gemeinsamen Sprechen und Handeln. Im wechselseitigen Respekt vor der Vielfalt der Zugehörigkeiten und individuellen Einzigartigkeiten. Und nicht zuletzt im gegenseitigen Zugestehen von Schwächen und im Verzeihen. Und wir können immer wieder anfangen. Was es dazu braucht? Nicht viel: etwas Haltung, etwas Mut und durchaus auch etwas Humor.“

Der beschriebene Humor wurde schließlich auch von Stufenleiter Dr. Rudolf Reuber geliefert, der die Gäste mit einer interaktiven Bewegungsübung in Anlehnung an das Einschulungs-Motto des Abiturjahrgangs zum „Aus-der-Reihe tanzen“ animierte.

Dennoch stand diese Abiturfeier deutlich unter dem Eindruck des vergangenen Jahres, und es war gut zu sehen, dass es allen wichtig war, nicht wehrlos und sprachlos zu bleiben, sondern der eigenen Entrüstung über die Entwicklungen Ausdruck zu verleihen und nachdrücklich für die dem Kolleg selbstverständliche Haltung von Respekt, Toleranz und Offenheit einzutreten.

So schien es auch sehr passend, dass die Musik-AG des Overberg-Kollegs, die die Feier musikalisch begleitete, diese auch mit einem Song des schottischen Sängers und Liedermachers Paolo Nutini beendete, in dem es im Refrain heißt: „To rise over love, over hate, through this iron sky that’s fast becoming our mind.“