Rassismus im Schulalltag
„Bei uns doch nicht?!“ – Umgang mit Rechtsextremismus und Rassismus im Schulalltag
Am 8. Mai 2019 trafen sich Studierende und Lehrende des Overberg-Kollegs im Geschichtsort Villa ten Hompel zu einem gemeinsamen Workshop zum Umgang mit Rechtsextremismus und Rassismus im Schulalltag. Vorbereitet hatte die Veranstaltung mobim, die Mobile Beratungsstelle gegen Rechtsextremismus NRW im Regierungsbezirk Münster, die in der Villa ten Hompel am Kaiser-Wilhelm-Ring ihren Sitz hat und Workshops und Schulungen rund um das Thema ‚Rechtsextremismus‘ anbietet.
Eingangs betonte Michael Sturm von Mobim, dass die Villa nunmehr seit bald 20 Jahren als ein Geschichts- und Erinnerungsort fungiere. Während der NS-Herrschaft hatte man die ehemalige Industriellenvilla seit 1940 als Dienstsitz der Ordnungspolizei genutzt. Von hier aus wurden u.a. Polizeieinsätze in den besetzten Ostgebieten koordiniert, die bis zur Organisation von Massenerschießungen oder von der Bewachung der Deportationen jüdischer Mitbürgerinnen und Mitbürger gehen konnten. Nach dem Krieg war die Villa kurzfristig Sitz der Wiedergutmachungsbehörde, bis man im Dezember 1999 auf Ratsbeschluss der Stadt Münster das Gebäude als Mahnort gegen das Vergessen einzurichten beschloss.
In einem Blitzlicht berichteten die Workshopteilnehmer*innen über Erfahrungen und den Umgang mit Rassismus in Schule, am Arbeitsplatz und im Alltag: Studierende berichteten davon, dass sie an früheren Arbeitsplätzen durchaus offenen rassistischen und ‚rechten‘ Äußerungen begegnet seien. Am Overberg-Kolleg gäbe es solche Ressentiments überhaupt nicht. Unsicher war die Mehrheit der Anwesenden, wie man in einer konkreten Situation rassistischen Äußerungen oder Handlungen begegnen könne.
In einem nächsten Schritt wurden Erscheinungsformen rechtspopulistischer oder rechtsextremer Agitation insbesondere an Schulen beleuchtet. Nach Aussage von Michael Sturm hat sich die Entwicklung in den letzten fünf Jahren deutlich geändert: Was vorher spezielle Gruppen sporadisch propagiert hätten, würde heute in der breiten Öffentlichkeit ganz offen und manipulativ geschickt kundgetan. Dabei seien die Aktionsformen durchaus unterschiedlich: Latent vorhanden seien in bestimmten sozialen Milieus rechtsextremistische und rechtspopulistische Einstellungen (völkischer Nationalismus, Rassismus, Antisemitismus etc.), die dann in bestimmten Situationen durch konkretes Verhalten (verbale Ausschreitungen, politische Aktivitäten, Gewalt usw. ) zum Ausbruch komme. Rechtspopulismus komme heute auch durchaus versteckt einher (etwa in den Medien) und artikuliere sich auf unterschiedlichen Ebenen (AfD, PEGIDA, Dritte Weg, Identitäre Bewegung usw.).
Im Anschluss diskutierten Studierende und Lehrende in Kleingruppen über den richtigen Umgang mit rechtspopulistischen und rechtsextremen Äußerungen und Verhalten in Schule und Unterricht. Grundlage waren Fallbeispiele, die die Mitarbeiter*innen von Mobim aus ihrer Tätigkeit an Schulen abgeleitet hatten. Besonders kontrovers wurde über eine Beteiligung der AfD an einer, von der Schule ausgerichteten Podiumsdiskussion debattiert. Weitere Fallbeispiele reichten von subtilen, fremdenfeindlichen Äußerungen im Unterricht über die fast schon konventionelle Verteilung von rechten Zeitschriften im Bravo-Design vor Schulhöfen, wie etwa Heute Jung mit Artikeln wie ‚Lass dich nicht linken. So hetzen rote Lehrer gegen dein Land‘, bis hin zu Youtube-Clips des Ulmer Rappers Komplott, der seine Beiträge selbst als ‚identitären Rap‘ labelt. Letzterer hatte gewisse Berühmheit über die rechtspopulistischen und rechtsextremen Kreise hinaus erreicht, da seine ‚Hymne für Chemnitz‘ mehrfach vom Videoportal entfernt worden war. Im vorliegenden Fallbeispiel hatte dies ein*e Schüler*in zum Anlass genommen, die ‚ferngesteuerten Medien‘ zu kritisieren und Sorge über den Zustand der Meinungsfreiheit zu äußern. Auch hier wurde deutlich, dass eine ernsthafte Auseinandersetzung mit den verschiedenen Formen des Rechtspopulismus und des Rechtsextremismus in Unterricht und Schule auch eine Frage des Wissens, der Zeit und des Personals ist, sie ist aber vor allem einer Frage der Haltung jedes einzelnen Studierenden und Lehrenden und der Schulgemeinschaft, so die Quintessenz aller Workshopteilnehmer*innen.
Weiterführende Links für Interessierte finden sich in der rechten Spalte.
Ingo Stöckmann und Kristina Thies (Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage)