Spione im Münsterland
Eine spannende und interessante deutsch-deutsche Geschichte
Dr. Helmut Müller Enbergs verstand es, diese Geschichte seinen gut 90 Zuhörern in einem Vortrag am Overberg-Kolleg in Münster spannend und interessant zu vermitteln. Als ehemaliger Overbergianer nach 37 Jahren an die alte Wirkungsstätte zurückzukehren sei schon ein besonderes Erlebnis – so Dr. Müller Enbergs. Daher konnte er nicht umhin, kurz seinen nicht geplanten, aber erfolgreichen Weg zum Overberg-Kolleg mit seinen persönlichen und prägenden Eindrücken zu skizzieren. Dieser Weg führte ihn dann weiter zu seiner Tätigkeit als Referent in der Gauck-Behörde und später zum Leiter der Spionageabwehr des Verfassungsschutzes in Berlin.
Eine wichtige Aufgabe sei für ihn die Leitung der Forschungsgruppe Rosenholz gewesen. Bei der Rosenholzdatei handelt es sich um die verfilmten Karteikarten der DDR-Spionage, Hauptverwaltung A (HV A), also der Auslandsspionage. Diese Microfilme seien auf dubiose Weise in die Hände der CIA gelandet und erst nach langen Verhandlungen den Behörden der Bundesrepublik übergeben worden, allerdings nur die Daten der in Westdeutschland tätigen deutschen Spione und anderen deutschen Staatsbürger. Mit diesem Material erhoffte man, die noch nicht enttarnten Spionen in der Bundesrepublik enttarnen zu können. Doch leider erwiesen sich diese Dateien als lückenhaft und zum Teil als schwer korrekt entschlüsselbar, so dass nur in wenige Fällen inoffizielle Mitarbeiter gerichtsfest ausfindig gemacht werden konnten. Zudem wurde die Existenz der Rosenholzdatei in den Medien öffentlich gemacht, mit der Konsequenz, dass viele verdächtige IM alle belastenden Materialeien verschwinden ließen. Damit war ein gerichtsfester Nachweis der Spionagetätigkeit nicht mehr zu führen.
Dennoch sei es gelungen – so der Referent – für Münster sechzehn Fälle herauszuarbeiten und die jeweiligen Einsatzgebiete und Aufgaben zu erfassen.
Zu den IM in Münster gehörten Menschen aus dem Klerus, aus der Politik und Gewerkschaft, Bundeswehr und Polizei, aber auch Versicherungswesen und Universität.
Das Interesse der Stasi sei nicht die Einflussnahme auf Entscheidungen gewesen, sondern nur die Abschöpfung von Informationen. So war man z.B. dringend daran interessiert, wie die Haltung in der kath. Kirche zu dem polnischen Papst Johannes Paul II vor dem Hintergrund der Aktivitäten der Solidarność war, um evtl. Einfluss auf die Katholiken in der DDR vorzubeugen.
Im Universitätsbereich war man dringend an neueste Forschungsergebnisse interessiert, möglichst noch verknüpft mit den wesentlichen Aussagen zu Vita der Forscher. Aus diesem Grunde wurde ein IM aus dem Bibliotheksbereich rekrutiert, um unmittelbaren Zugriff auf die neuesten Publikationen zu erhalten.
Das Interesse an politische Informationen war selbstverständlich, daher standen hier die Parteien und Gewerkschaften im Focus. Am stärksten war die SPD infiltriert, was die Gewerkschaften betrifft, konnte man sich auf die Unterstützung durch einen ÖTV-Funktionär verlassen. Dass Bundeswehr und Polizei Objekt der Begierde war scheint nur zu selbstverständlich. Auch hier waren zuverlässige IM eingeschleust, so dass man über Jahre in der DDR bestens informiert war.
Detailliertere Information zu dem Gesamtkomplex Rosenholz kann man nicht nur anfordern, sondern sind auch in diversen Publikationen von Müller Enbergs nachlesen.
(Heinz Noe)