Online-Abitur eingeführt
Deutschland gilt als Nachzügler im Bereich des digitalen Lernens, das Overberg-Kolleg in Münster ist dagegen künftig vorne mit dabei. Ab dem Schuljahr 2024/25 bietet das Weiterbildungskolleg in Trägerschaft des Bistums Münster eine unter den Kollegs (Schulen des zweiten Bildungswegs) deutschlandweit einmalige Form an, das Abitur zu machen: das Online-Abitur am Kolleg. Damit haben sich Schulleiter Ansgar Heskamp und sein Team für ein integriertes Lernmodell als Ergänzung zum bisherigen Angebot entschieden, das die Vorzüge von Online- und Präsenzlernen kombiniert.
Drei Tage Unterricht vor Ort in Präsenz, zwei Tage in Distanz von zu Hause aus: Heskamp ist überzeugt, damit noch stärker auf die heutigen Bedürfnisse junger Menschen eingehen zu können. „Das Angebot richtet sich besonders an Studierende, die aufgrund ihrer benachteiligten Lebenssituation bisher keinen Zugang zum Abitur hatten oder nur unter erschwerten Bedingungen das Kolleg hätten besuchen können“, sagt der Schulleiter.
Freuen sich über die Einführung des „Online-Abiturs am Overberg-Kolleg“ ab dem Schuljahr 2024/25: (von links) Johann Saizev, Vincenz Barth (beide Studierende), Judith Matern (stv. Schulleiterin), Ansgar Heskamp (Schulleiter), Ronja Kockmann (Studieren-de), Felicitas Schenke (Studierende) und Oliver Neimeier (Beauftragter des Overberg-Kollegs für Digitalisierung).
Foto: Bischöfliche Pressestelle/Ann-Christin Ladermann
Die Studierenden, die das Overberg-Kolleg besuchen, werden als Studierende und nicht Schüler bezeichnet, weil sich die Kollegs ausschließlich an Erwachsene richten. Der Schulbesuch ist kostenlos und wird durch elternunabhängiges Bafög gefördert, das Einkommen der Eltern beeinflusst die Leistungen also nicht. Im kommenden Wintersemester werden wie jedes Jahr drei Klassen am Overberg-Kolleg eingerichtet, eine davon als Online-Klasse. „Zum Einstieg stellen wir den Studierenden, die sich für das neue Lernmodell entschieden haben, Mentoren zur Seite, die ihnen mit Rat und Tat zur Seite stehen“, kündigt Kristina Slotty, Koordinatorin für Unterrichtsentwicklung, an.
Sarina Wetter (33) besucht das Overberg-Kolleg im 2. Jahr und hätte das Angebot des Online-Abiturs damals gern in Anspruch genommen: „Ich hätte mehr Zeit für meine Kinder und meine Familie, weil ich nicht an fünf Tagen von Altenberge nach Münster pendeln müsste“, sieht sie den Vorteil des Modells, das eine bessere zeitliche Koordination von Familienaufgaben und Schule ermöglicht.
Inez Abd El-Fatah hat vor dem Kolleg an einer Förderschule für Kinder mit geistiger Behinderung gearbeitet, die auch teilweise gepflegt werden mussten. Die 20-Jährige hätte mit dem Online-Angebot die Möglichkeit, weiterhin in Teilzeit zu arbeiten. „Ich wäre flexibler in meiner Zeiteinteilung und könnte gleichzeitig einen kleinen Beitrag leisten, was den chronischen Personalnotstand in der Pflegebranche angeht“, sagt Inez Abd El-Fatah. Heskamp weiß darüber hinaus, dass die Mieten in Münster für viele Studierende finanziell kaum stemmbar seien. „Herkunft darf kein Bildungsrisiko sein“, setzen sich er und das Overberg-Kollegium mit dem Online-Abitur dafür ein, Barrieren abzubauen.
Grundlage für das Online-Modell ist eine digitale Lernplattform, die bereits am Overberg-Kolleg in den Unterrichtsalltag integriert ist. „Wir stellen darüber im Alltag Material bereit, die Studierenden bearbeiten Aufgaben und nutzen Formen der digitalen Zusammenarbeit“, beschreibt Slotty. Allen Studierenden steht ein digitales Endgerät zur Verfügung einschließlich der erforderlichen Apps.
Längst werde digitales Lernen nicht mehr als aus der Not heraus geborene Form angesehen, sondern als hoch effizientes Lehr- und Lernangebot, das gesellschaftliche Teilhabe und Bildungsgerechtigkeit ermögliche, betont Heskamp. „Im Mittelpunkt des Online-Abiturs am Overberg-Kolleg steht das selbstorganisierte und selbstgesteuerte Lernen, worauf wir die Studierenden gezielt vorbereiten und sie dabei begleiten werden“, verspricht der Schulleiter mit Blick auf das Leitbild der katholischen Schulen im Bistum Münster mit dem Titel „Damit der Mensch sein Ziel erreicht“. Die Kombination aus Präsenz- und Online-Lernen spreche eine größere Bandbreite von Lernwegen an, die es Studierenden ermögliche, selbstbestimmt ihre berufliche Weiterbildung zu gestalten.
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